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Eltern sind immer interessant, weil sie sind immer am Arsch, aber sie sind ganz dicht an dem dran, wie man selber ist.
Foto Reiher

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REIHER
von Simon Stephens
Premiere am 21. Februar 2004

Inszenierung Ralf Siebelt
Ausstattung Max Julian Otto

Aufführungen: Aktueller Spielplan

Am liebsten sitzt Billy am Kanal und angelt. Als ob das so ein romantischer Ort wäre. Das Gewässer fließt durch einen der heruntergekommensten Stadtteile Londons und mehr als zwei, drei Schleien zieht er nie heraus. Kleine, anspruchslose Fische, die es in nahezu jedem Gewässer aushalten. Aber ums Angeln geht es eigentlich gar nicht. Mehr um die Ruhe, das Alleinsein. Vielleicht auch um die Gespräche mit dem Vater, selbst ein Angler. Billy ist 14 und lebt bei ihm, nicht bei der Mutter. Die schafft es nicht, trinkt, dreht durch ab und zu. Um Vater Charlie macht Billy sich Sorgen. Dass er seine Stütze abholt, dass er die Job-Annoncen liest, jeden Tag sein Hemd wechselt... Sonst spielt das Jugendamt womöglich nicht mehr mit.

Doch Billys größte Sorge heißt Scott. Der ist 15, trägt die Faust lose in der Tasche, hat zwei Freunde gleichen Schlages und einen älteren Bruder, der im Knast sitzt, weil er eine 12jährige umgebracht hat, vielleicht vergewaltigt vorher. Laut Scott und seinen Kumpels müßte er nicht sitzen, wenn nicht Billys Vater ihn beobachtet und verpfiffen hätte. Irgendwann wird Scotts Bruder entlassen, und dann fallen die Besuche an Billys Angelplatz bestimmt nicht mehr so freundlich aus.
Die Vorboten spürt Billy schon jetzt, die ständige Bedrohung, die Angst. Denn dass Scott schneller zuschlägt als er wieder aufhört, ist sicher. Billy weiß das, und deshalb will er weg. Gleich nach der Schule. Aber bis dahin?

REIHER ist kein sozialpädagogisches Betroffenheits-Theater, keine gut gemeinte Beschäftigung mit dem Thema Gewalt unter Jugendlichen, sondern ein Stück, das sensibel, genau und ohne Umwege auf seine Figuren hört, die in ihrer Sprache, ihren Gefühlen, ihren Gebärden durch und durch echt sind. Wahrscheinlich hat der Autor deshalb der professionellen Schauspielkunst misstraut und sich gewünscht: "Das Stück sollte genau dem Alter entsprechend besetzt werden".
Das machen wir. Mit unserem Ensemble und arbeitslosen Jugendlichen aus der Region realisieren wir dieses Projekt.

Simon Stephens wurde 1971 in Stockport/New Manchester geboren, "einem der hoffnungslos langweiligsten Orte in Nordengland" (Stephens), er studierte Geschichte in York und Edinburgh. Er schrieb Stücke und machte Theater.

"Von 1992 an habe ich fünf Jahre lang schlechte Stücke geschrieben, die niemand haben wollte, und die ich in verschiedenen heruntergekommenen freien Theatern in Edinburgh aufgeführt habe, wo ich zwei Jahre von grässlichen Jobs gelebt habe. Es war eine sehr glückliche Zeit."

Er zog nach London, arbeitete als Barkeeper und Lehrer, schrieb für das Royal Court Theatre in London und wurde Hausautor am Royal Exchange Theatre in Manchester. REIHER wurde 2001 in London uraufgeführt.