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Ist es Festland, eine Insel?
Gibt es Menschen, wilde Tiere?

Foto Gestrandet

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GESTRANDET
Eine Aalener Robinsonade

Schwäbische Post, 22.02.2004
Theater-Vollbad in tropischer Thermik
Feucht-fröhliches "Gestrandet"-Finale des Aalener Theaters in den Limesthermen

  • Der Wissensdurst trieb nicht nur Robinson Crusoe aufs offene Meer hinaus, sondern das Theaterpublikum am Freitag auch in die Aalener Limesthermen.
    Und um der Spannung gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Ja, sie gingen baden, die zwei clownesken Dramatiker. Aber nur wörtlich, denn gestrandet ist "Gestandet" bei weitem nicht.

    Römische Säulen säumten jenen stilvollen Rahmen, den sich die zwei abstrusen Insulaner als Heimathafen erkoren hatten. "Gestrandet" kehrte zurück nach einer kleinen, aber feinen Tournee durch diverse Aalener Räumlichkeiten. Und es gab tatsächlich stehende Ovationen zur Dernieren-Feier. Ob hier nun der überschäumende Übermut Gunnar Kolbs und Thilo Matschkes seine Hand im Spiel hatte oder einfach die Gnade der Thermenbetreiber ausschlaggebend war, die großzügig lauschige Liegestühle neben den obligatorisch mörderischen Rattanhockern verteilten, mag dahingestellt bleiben.
    Das Publikum jedenfalls blieb flexibel, folgte geschmeidig wie beim Tennismatch der für einen Seemann äußerst fragwürdigen Ankunft Kolbs im sich sträubenden Gummiboot genauso wie seiner dramaturgisch noch weitaus realistischer in Szene gesetzten Schiffsbruchsequenz. In Echtzeit ging der Mann hier über Board - und Reality-TV ließ grüßenen.
    Als ziemlich originalgetreu erwiesen sich auch die Luftverhältnisse. Feucht-fröhlich kroch die tropische Thermik unter so manchen Rollkragenpullover, schlüpfte genüsslich in die blauen Plastik-Schuhüberzieher und ließ nur jene kalt, die tatsächlich das Theater im Badeanzug betraten. Die Konventionen gerieten nicht nur auf der Bühne aus der Bahn.
    Um es kurz zu machen, Thilo Matschke wischmobte und kauderwelschte wie eh und je im Bastrock über die rutschigen Fliesen und ließ gehöhrig Federn, genauer Fäden. Ziemlich dünn ist das Kostüm geworden, da blitzte gar unübersehbar der blanke Hintern, den zu zeigen die allgemein ausgelassene Stimmung ihm diktierte. Nun, das Wasserbecken, das war auch wahrlich ein ein gefundenes Fressen, schnell weichten Rollis wie Bikinis auf in den schauspielerischen Turbulenzen, und man fühlte sich verbunden mit dem ungleichen Duo. Jubel, Trubel, Heiterkeit, treffender kann man die Stimmung nicht beschreiben, mit der sich Robinson und Freitag verabschiedeten.
    Sie waren auch "ziemlich" zufrieden mit dem Ergebnis, die seriösen Komödianten. Und recht lehrreich war die Reise wohl auch. Denn damit keiner gerechnet: was im Fitnessstudio tränenreiche Lacher provozierte, ließ im Altenheim das Lachen vor Tränen verblassen. Oberflächlich war der Inselklamauk nur auf den ersten Blick, das hat sich jetzt erwiesen. Da musste man schon tauchen nach den Perlen, und das fiel in den Thermen wiederum gar nicht schwer.
    (Vivien Moskaliuk´)

Schwäbische Post, 26.01.2004
Dieses Duo macht einen reif für die Insel
Gunnar Kolb und Thilo Matschke sind auf ihrer Robinsonade zunächst im Bettenhaus Krauss "Gestrandet"

  • Die jüngste Premiere des Aalener Theaters "Gestrandet" ist am Samstag im Bettenhaus GD Krauss über die Bühne gegangen. Fragt sich nur: War das Meer eventuell ein wenig untief? Die Dramatik einfach sturmgepeitscht? Oder der Strand schlicht das gelobte Land? Antworten gibt es derer wohl keine. Außer vielleicht: Wie es euch gefällt. Und es gefiel.

    Was macht Robinson, wenn er heute strandet? Eine Antwort...
    Um es gleich vorweg zu nehmen: Stehende Ovationen waren nicht drin bei dieser Premiere. Denn so locker kam keiner von diesem Marter-Hocker, diesem urigen Rattangebilde, dieser Kulisse auf dem Sprung. Strände gibt es viele, da legt sich dieser neue Robinson auf keinen fest. Er wandert. "Gestrandet" geht auf Tournee und die Hocker wandern mit, das ist Punkt eins. Punkt zwei ist, dass der Zuschauer leidet. Dass der dumpfe, unbequeme Druck sich langsam vom Gesäß die Wirbelsäule aufwärts schraubt und man sich denkt: Die Zivilisation kann so verkehrt nicht sein. Und schon ist man mitten drin im Geschehen. Denn Gunnar Kolb als Robinson Crusoe, das ist die Zivilisation, sinnbildlich versteht sich. Die abgeschabten Lackschuhe, der zerknitterte Anzug, die Orangenschalen fein säuberlich im Stofftaschentuch, das ist England wie es leibt und lebt. Das ist Daniel Dafoe, wie er literarische Fährten legte, um suggestive Einsichten zu erlangen. Und das ist auch schon weitgehend alles, was von "Gestrandet" im Original gründet. Der Rest der Robinsonade färbt sich abstrus bis gar absurd, schimmert improvisatorisch spontan hinterm waghalsigen Aktionsgerüst und hat im gelernten Clown und Comedy-Kollegen von Präsenzwunder Kolb, Thilo Matschke, einen perfekten "Freitag" gefunden. Mit seinem Auftauchen findet der aufkeimende Ernst des Insellebens, findet der dramatisch in Szene gesetzte Schiffbruch, die einsame Öde träumerischer Selbstreflexion des unseligen Robinson und seiner Ziege Lisa ein überaus jähes Ende. Lisa übrigens ist von Steiff, für die Inselidylle braucht es nicht mehr als ein Dia und ein Gummiboot und den schicksalhaften Sturm. Den hat Matschke performanceartig mit Donnerblech und Oceanboard und vollem Körpereinsatz losbrechen lassen. Vor aller Augen versteht sich; schließlich ist die pure Imagination des Meeres bei weitem zu klassisch orthodox für diese spartanisch spontane Innovation. Regisseur gibt es keinen, die Frucht ist theatralisch selbst gereift, die Zweisamkeit von Robinson und Freitag einzig allzu harmonisch. Die Intention ist nur mehr Lachen - und langsam beginnt man sich zu fragen, wo denn dies zum clownesken Stand-up-Comedy-Idyll umgestülpte Drama sein adäquates Ende finden soll. Nun, es findet derer sogar drei. Als nahezu göttlicher Maschinist greift der Techniker ein. Der Schluss ist tragisch-komisch, tragisch, komisch. Aber halt: Mit Gott hat der neue Robinson nichts am Hut, auch nicht mit den Menschenfressern. "Zu realistisch", so Matschke lapidar. Die drei Schlusssequenzen sind extremer, sind Heimat, sind Scheitern, sind Robinsons Club. Und die Moral von der Geschicht? Bleib offen, dann klappt's auch mit dem Cocktailschirmchen? Entdecke einfach die Möglichkeiten, frei nach Gusto, sagt man sich. Aber besser nicht in der ersten Reihe.
    (Vivien Moskaliuk)

Aalener Nachrichten, 26.01.2004
Stadttheater mit "Gestrandet" gestrandet

  • Über "Gestrandet" mag man sich streiten. Bei der Premiere mussten viele über die "Aalener Robinsonade" von Thilo Matschke und Gunnar Kolb herzlich lachen, andere empfanden sie als kindischen Klamauk. Wer im Bettenhaus Krauss in den hinteren Zuschauerreihen saß, dem konnte beides egal sein. Der sah vom Stück eh nicht viel.

    Die Zutaten hatten eine Menge Menschen neugierig gemacht: Die Geschichte von Robinson Crusoe, nachdem ein Clown sie in den Fingern hatte, entwickelt aus Improvisationen und gespielt an den unwahrscheinlichsten Orten - das klang vielversprechend.

    Entsprechend groß war der Andrang bei der Premiere. Rund 80 Zuschauer, aber nur 59 Bambushocker fanden sich im Bettenhaus, wo Thilo Matschke und Gunnar Kolb als erstes strandeten. Weitere "Robinsonaden" wollen sie im Café Magazine, in der Stadtgärtnerei oder in den Limes-Thermen spielen. Neun Orte sind es insgesamt.

    Im Bettenhaus hatte irgendwann jeder sein Plätzchen im Halbrund um Robinsons "Strand". Der definierte sich in Gummiboot und einer Projektionswand, die an Bootssegel erinnerte und die mit die stärksten Momente des Stücks ermöglichte: Schattentheater.

    Von vorn das Bild eines einsamen Strandes mit Palme auf die Leinwand geworfen, von hinten Robinson (Gunnar Kolb) als Schattenriss mit Basthütchen, traurig trötend - so zu beginnen, nährte die Hoffnung auf Clownerien voller Poesie. Ähnlich glückte auch Freitags (Thilo Matschkes) erster Auftritt mit Maske. Furchterregend als Schatten, entpuppte sich die Kopfbedeckung, als der Wilde vors Tuch trat, als übergestülpte Gießkanne.

    Stark auch die klanglichen Stilmittel: eine Ocean drum fürs täuschend echte Meeresrauschen, ein Donnerblech für den Sturm, der zu Robinsons Schiffbruch führt. Und wie es im Bettenhaus stürmte: Blitz und Donner, klatschende Wogen, "Segel reffen, Pumpen, Leute", Robinson ist ganz der Erinnerung ausgeliefert, "Fockmast absägen, Mann über Boooord..." - "Ogott", stöhnte jemand ganz mitgenommen im Publikum.

    Nur: Schon diese Szene geriet im Grunde zu lang, und dasselbe galt für fast alle folgenden, ob Robinson in seiner Einsamkeit eine Stoffziege als lebendiges Wesen hätschelte, sich im Traum nach seiner Elisabeth sehnte oder mit Freitag zusammen Orange aß. So groß Gunnar Kolbs Talent auch ist, sein Mienenspiel allein genügte nicht, den dürftigen Inhalt vergessen zu lassen. Wenigstens halfen zwei muntere Lieder im Viervierteltakt dabei - von den Akteuren selbst erdacht!

    Thilo Matschke hat sich ausgesucht, als Freitag nur Kauderwelsch zu reden. Eigentlich ein spannender Trick: Wie finden der Wilde und der Zivilisierte unter diesen Bedingungen zusammen? Matschke spielte, dass die Fasern von seinem Bastkostüm flogen. Die einen lachten sich drüber kringelig, die anderen wunderten sich, was lustig daran ist, Robinson Orangenschalen an den Kopf zu werfen. Die hinteren Reihen hörten eh nur sinnloses Gebabbel.

    Auch schade: Mit dem Bettenhaus Krauss hatte die Aufführung nichts zu tun. Sie hätte auf jeder x-beliebigen Bühne stattfinden können. Dann hätten die Zuschauer hinten wenigstens auch was gesehen.
    (Sylvia Möcklin)

Aalener Nachrichten, 26.01.2004
Exotisches Menü gezaubert

  • Konzentriert wendet Frank Severin, Kassierer des Theaters der Stadt Aalen, das Fleisch in der Kokospanade und legt es sachte in die gusseiserne Pfanne. Brutzel-Geräusche mischen sich mit den Stimmen der Ensemblemitglieder« die die Gäste auf die Pazifik-Insel Ata entführten. Das sechste Gastmahl auf StockZwo war erneut ein kulinarischer und literarischer Leckerbissen.

    Ein Menü passend zum neuen Stück des Theaters "Gestrandet", das heute um 20 Uhr seine Premiere im Bettenhaus Krauss feiert, lautete die Order an Frank Severin. Im Internet und der Fernsehsendung "Kochduell" stieß er schließlich auf exotische Spezialitäten, mit denen er die Besucher verzaubert. Kein Wunder, dass er nach dem Drei-Gänge Menü emsig damit beschäftigt ist, die Rezepte an den ein oder anderen Gast zu verteilen.

    "Aloahe" prostet der Regisseur Ralf Siebelt den Gästen zu, als diese zur Einstimmung an dem Sektcocktail "Hemingway", einer Mischung aus Sekt, Zitronensaft und Pernod nippen. Der amerikanische Schriftsteller als Namensgeber des säuerlichen Anis-Aperitif war begeisterter Hochseeangler. Seine Erfahrungen beschreibt er malerisch in "Ein Brief vom Golfstrom", aus dem Leif Stawski rezitiert.

    Der Fisch, den Severin den Gästen in einer Suppe mit Papayastückchen als Vorspeise kredenzt, stammt allerdings nicht aus dem Beutefang Hemingways. Dass das Auge mitisst, war dem Kassierer bei der Auswahl der Spezialität von den Bermudas durchaus bewusst. Das bunte Arrangement aus Karotten, Tomaten, Sellerie, Kartoffeln und Papaya in einer Brühe aus Rum, Sherry und Fischfond, gewürzt mit einem Schuss Tabasco und Pfefferkörnern ist eine wahre Delikatesse.

    "Chris raspelt Kokos für das Abendessen", lautet eine der Passagen, die die Ensemble-Mitglieder Ina Fritsche und Wenzel Banneyer aus dem Werk "Pazifisches Glück" von Bob Snoijink vorlesen. Das Raspeln ist Severin beim Kokusmantel, in den das Schweinrückensteak auf einem Beet von Reis und Currysauce gehüllt ist, erspart geblieben. Ein fruchtig-frischer Salat beweist, dass Orangen, schwarze Oliven und rote Zwiebeln kein Stilbruch, sondern ein geschmackliches Highlight sind.

    Fruchtig geht es nach der Rezension aus Epeli Hau" Ofas "Rückkehr durch die Hintertür" weiter. Aufgespießte Kiwi, Banane, Mango und Sternanis in einem Backteigmantel auf Vanillesahne und Schokospänen sowie Paul Gauguins "Noa-Noa" bilden den Abschluss des gelungenen Abends.
    (VS)