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DAS MÄRCHEN VON DEM DILLDAPP
von Gerhard Kelling

Schwäbische Post, 30.11.2004
Der böse Chef kriegt Haue
Es ist still und dunkel im voll besetzten Theaterraum im Wi.Z in Aalen - zumindest bis ein Trommelwirbel von Matthias Kehrle einsetzt und die Spannung beim Publikum zum Knistern bringt. Die Schauspielerin Katja Bramm tritt in den Vordergrund. Doch bevor das Märchen nach Clemens von Brentano beginnt, muss das Publikum zuerst eine ganz ungewöhnliche Szene verdauen.

  • "Das ist unser Theater. Dann fangen wir mal an". Doch vorher müssen sich der Direktor des Theaters und seine Schauspielerin noch über die Rollenverteilung einig werden. Der Chef muss nämlich einspringen, weil er alle anderen Darsteller vergrault hat. Der Herr mit dem überdimensionalen Schnauzbart, Zylinder und Frack will deshalb auch das Publikum loswerden. Aber alles Schreien und Geknalle mit der langen Peitsche hilft nichts. Er hat nicht mit derart aufmüpfigen und "Nein" sagenden Kindern gerechnet, die unter lautem Protest sitzen bleiben.

    Ihm bleibt keine Wahl: der Direktor (Gunnar Kolb) übernimmt als wahrer Verwandlungskünstler die Rollen der Mutter, des Ungeheuers und des Gastwirtes im folgenden Märchen - aus welchem erst später das bekannte "Tischlein deck dich" nach den Gebrüdern Grimm entstanden ist. Katja Bramm schlüpft in die Rolle des naiven Dilldapp mit langer Zipfelmütze und Hosenträgern, spielt ihn genauso überzeugend unter vollem Körpereinsatz. Die Fassung von Gerhard Kelling entführt mit variationsreicher Musik und Gesang, minimaler Ausstattung und dem beseelten Spiel zweier Schauspieler in die Welt des Märchens. Es folgt bei weitem keine reine Märchendarstellung um einen Goldesel, ein Speisen zauberndes Tuch und ein magisches Stöckchen, sondern eine Offenbarung an Theaterzaubereien, Traumlandschaften und Bühnentricks, die von Anfang bis Ende für wechselnde Stimmungen sorgen. Leuchtende Schattentheatereffekte, von Lena Hasselmann umgesetzt, begleiten die Handlung und bringen Farbe und Abwechslung ins Geschehen. Da ist Dilldapp, der tölpelhafte Junge, der von zuhause wegläuft, weil er die einfachsten Dinge nicht auf die Reihe bringt. Er trifft auf das liebe einäugige Ungeheuer, das ihn trotz seiner Naivität immer wieder aufnimmt und nie an ihm zweifelt. Der selbstbewusste und nicht wieder zu erkennende Dilldapp besucht den verschlagenen Gastwirt ein drittes Mal - und was dann passiert, ist allen bekannt.

    Eine Überraschung wartet allerdings nach dem Märchen noch auf das Publikum. Denn der Direktor und die Schauspielerin einigen sich ebenfalls - auch wenn diese Wendung keine grundlegende Änderung für das Theater mit sich bringt. Das Publikum zeigte sich begeistert nach der Vorführung; darunter die beiden vierten Klassen der Langertschule in Aalen. Der Applaus galt neben den beiden brillanten Darstellern dem Musiker Matthias Kehrle, dem Dramaturgen Volker Schubert, dem Regisseur Mario Portmann und der Ausstatterin Anne Weiler.
    (Bettina Buchstab)