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Foto Das große Heft
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DAS GROSSE HEFT
von Agota Kristof
Premiere am 2. März 2005
Spielort: Studio im Alten Rathaus

Inszenierung Andrea Udel
Kostüme Lisa Klammer
Bühnenbild Max Julian Otto
Mit Wenzel Banneyer, Katja Bramm

Aufführungen: Aktueller Spielplan

Fast ein Märchen. Ein Zwillingspaar wird in Kriegszeiten im Haus der Großmutter auf dem Land untergebracht. Die Lackschuhe, die frische Wäsche, die sauberen Laken, womit die Kinder anreisen, sind mit einem Schlag unbrauchbar. "Ich werde Euch zeigen, wie man lebt", sagt die Großmutter, die alle nur "Hexe" nennen und tatsächlich passt kein Name besser.
An ihren Enkeln zeigt sie keine Freude, hält sie zur Arbeit an und überlässt sie ansonsten sich selbst. "Hundesöhne" ist der Name, den sie ihnen gibt.

Schnell erfahren die Geschwister, was das für ein Leben ist, das es zu lernen gilt: ein Kampf um die Existenz, voller Mißtrauen, voller Härte und ohne die leiseste Zuneigung.
In dieser lieblosen Umgebung und in einer Gesellschaft im Kriegszustand entwickeln die Kinder Techniken der physischen Abhärtung und der emotionalen Abstumpfung.
Sie üben sich in Gefühlskälte, sie hungern, betteln, stehlen und töten, weil "man es können muss". Ihre Erlebnisse und die Ergebnisse dieser Trainingseinheiten schreiben sie auf, wobei sie sich zu klarer, analytischer Sprache zwingen. Es ist nur zu bezeichnen, was ist, nicht, was man empfindet, fantasiert, spürt. Und so fallen Worte wie "Gefühl", "Liebe" heraus aus dem Wortschatz der Kriegskinder. Sie sind zu vage, zu ungenau.
In ihren autodidaktischen Schreibstunden gibt es nur ein Merkmal dafür, ob etwas "gut" oder "nicht gut" ist: es muss wahr sein. So entstehen Aufsätze von erschreckender Sachlichkeit und entsetzlicher Präzision. So entsteht DAS GROSSE HEFT als Zeugnis der unvorstellbaren Verrohung, der emotionalen Verelendung von Kindern, die in kriegerischen Gesellschaften aufwachsen. Irgendwo tobt immer ein Krieg, und Agota Kristofs Roman hat keine Chancen darauf, historisch oder unaktuell zu werden.

Keine Namen, keine Ortsbezeichnungen, keine Jahreszahlen finden sich in dem Roman der 1935 in Ungarn geborenen und 1956 in die Schweiz emigrierten Schriftstellerin Agota Kristof, die modellhaft das System von Gewalt zeichnet und mit DAS GROSSE HEFT (1984) einen der bedeutendsten Romane der neueren Literatur und ein grandioses Antikriegsbuch geschaffen hat. Mit DER BEWEIS und DIE DRITTE LÜGE ist es Teil einer Romantrilogie, für die Agota Kristof mit vielen Preisen, unter anderem dem Gottfried-Keller-Preis, ausgezeichnet wurde.
In Absprache mit der Autorin und ihrem Verlag entsteht in Aalen eine eigene Dramatisierung für zwei Schauspieler.