zurück

ENTDECKEN
Foto Aalen
info | presse

SCHUBAART HÖRGANG

Schwäbische Post, 22.3.2005
Der Mann im Ohr weitet den Blick auf Aalen
Der "Hörgang: Schubart" entpuppt sich als akustische Schnitzeljagd durch die Innenstadt

  • Orientierungssinn minus 135 Prozent, Schauderfähigkeit 200 Prozent - bei der akustischen Schnitzeljagd "Hörgang: Schubart" des Theaters der Stadt Aalen kommt selbst eine mit diesen Talenten gesegnete Reporterin fast unbeirrt durch die Innenstadt. Spannend und auch ein bisschen unheimlich sind die Spuren, die die Autoren des Hörgangs aufzeigen und einen ganz neuen Blick auf die Stadt eröffnen.
    "Herr Wagenblast geht in die falsche Richtung", stellt Dramaturg Winfried Tobias fest, der zusammen mit dem Theaterpädagogen Volker Schubert nicht nur die Kopfhörer vor dem Café Podium verteilt, sondern auch mit ihm zusammen den Hörgang konzipiert hat. "Er lässt sich halt nicht führen", sagt Intendantin Simone Sterr. Wenn man sich an die Anweisungen hält, dann soll's funktionieren. Auch für Leute, die mit der Orientierung auf Kriegsfuß stehen. Wie ich.
    Ich warte. Im Abstand von zehn Minuten ziehen die Hörgänger los, um sich nicht in die Quere zu kommen. "In manche Geschichten stolpert man hinein, in manche wird man gezogen", sagt mir der Erzähler Eddy Chichosz ins Ohr, als ich am Marktbrunnen den Hörgang mit MP3-Gerät und Kopfhörern starte. Die Suche beginnt. Nach Christian, einem verschwundenen Journalisten. Ich lausche. Erfahre Schubart und neue Facetten von Aalen. Plötzlich ist von der Stadtbibliothek die Rede. Ich stehe noch am Marktbrunnen. Da ist wohl jemand an die Vorspultaste gekommen. Doch der Anschluss funktioniert mit schnellem Schritt. Blicke auf die Stadt werden neu gelenkt, neue Einsichten und Ansichten gewonnen.
    Mir ist nie aufgefallen, dass sich die Zeitarbeitsfirma im gleichen Gebäude wie der Sexshop befindet. Ich wusste nicht, dass im "Roten Ochsen" die Männer ihr Bier tranken, während ihre Frauen nebenan nähten. Mir war nicht klar, warum der Platz neben der Stadelgasse so trostlos aussieht. Es ist ein Platz voller Häuserrückseiten, weil die Gebäude in der Mitte fehlen. "Geh weiter. Hier gibt es nichts zu sehen", flüstert mir die Stimme zu.
    Durchwoben ist der Hörgang mit Gedichten und Zitaten von Schubart. Wenzel Banneyer liest sie mir vor. Und schließlich stehe ich dann vor dem Haus, in dem der Dichter zumindest eine Weile gelebt hat. Man könnte meinen, er komme gleich zur Tür heraus. Ob er wohl bei der Steuerberatung war oder im Immobilienbüro? Das Finale des Hörgangs ist auf dem Spritzenhausplatz. Wo Christian nun geblieben ist, weiß ich nicht. Aber sein Namensvetter Schubart ist mir nah.
    Wundern Sie sich nicht über Menschen, die mit Kopfhörern durch die Innenstadt laufen. Leihen Sie sich im Café Podium den "Hörgang" und erleben Sie die Stadt neu.
    (Anja Rettenmaier)